Vorgeschichte
____________ Woher wir kommen: Wohnlust ____________
  • FormWien Präsentationen
  • Stilbruchag Präsentationen
  • 2011
  • 2012
  • 2013
    StilbruchAG
    History

    Woher wir kommen: Wohnlust

    1986

    Wohnlust

    Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus
    Wir zeigen im 1. Stock des Künstlerhauses die Ausstellung Wohnlust vom 2. Dezember 1986 bis 18. Jänner 1987.

    Bildende Künstler und Designer aus Österreich wenden sich an diesem prominenten Ausstellungsort an den Letztverbraucher, wollen aber auch Industrie- und Kleinbetriebe zu mehr Zusammenarbeit mit den kreativen Kräften motivieren. Es werden gelungene Beispiele der Zusammenarbeit mit österreichischen Firmen gezeigt, Möbelideen, die sich als Serienprodukt realisieren lassen, sowie Möbelkunstwerke, die als benutzbare Skulpturen gesehen werden können.

    Die Ausstellung ist als buntes, lustvolles Ereignis geplant, das dem Betrachter neue Wohngefühle vermittelt, gleichsam als eines der letzten Abenteuer in einem Bereich, in dem er noch selbst bestimmen kann. Die quadratischen Eckräume werden zu Raumarbeiten von den Künstlern Werner Degenfeld, Inge Graf+ZYX, K.U.SCH. und Altmüller & Bogner genützt.

    Idee und Durchführung dieser Ausstellung sind von Jana Wisniewski (Künstlerin und Kunstkritikerin). Im Verlag Maximilian Droschl erscheint zur Ausstellung ein Katalog, gestaltet von Michaela Moscouw.

    Eine die Objekte belebende Aktion wird an mehreren Tagen von den Designern Altmüller & Bogner in Zusammenarbeit mit der Modekünstlerin Maria Kretschmann unter dem verheißungsvollen Titel „Unterhaltungsdesign“ gestartet werden. Das Architektenteam INGIRIEN (Kneissl, Prochazka) wird unter dem Titel „Musique d‘Ameublement“ eine Diashow zeigen, welche sich auf das einer breiten Öffentlichkeit verborgene Architektenmöbel bezieht. Ein Frage-AntwortDesign-Spiel für Kinder der 5.-8. Schulstufe wurde von Mag.art.
    Elfriede Huber ausgearbeitet.
    Die Möglichkeiten für den Einzelnen, Umwelt zu gestalten, sind denkbar bescheiden. Gerade Innenräume könnten noch Freiräume sein. Wenn heute junge Künstler Möbel als Einzelstücke herstellen, deutet dies darauf hin, daß der Begriff Design wieder umgedacht wird. Design bezog sich auf industrielle Fertigung, das Möbel sollte billig, praktisch, bequem, pflegeleicht und formschön sein. Mag sein, daß das Massenprodukt in allen Lebensbereichen eine gewisse Leere entstehen ließ; heute sprechen junge Designer von Identifikation, vom Möbel, das Persönlichkeit hat, vom Möbel als Wesen.

    In Österreich schien auf dem Sektor Möbeldesign Windstille zu herrschen. Vielleicht hat uns das Hollein-Bett, produziert bei Wittmann, aus dem Schlaf gerissen?
    Vor zehn Jahren hat das Studio Alchimia seine erste Kollektion gezeigt und damit begann eine Design-Revolution von Italien her. MEMPHIS wurde 1981 gegründet und hat heute bereits die Welt erobert. In welchem Stil man heute entwirft ist klar, MEMPHIS ist die Inspiration auch für den Möbelmarkt der Billighersteller. IKEA hat von nordisch auf italienisch umgedacht - nur in Österreich setzen die Hersteller auf den Preis, nicht auf das Design.

    Die stilbildende Wirkung des „Bauhaus“ hat vor ungefähr zehn Jahren aufgehört zu greifen. Ein Unbehagen an der Moderne schlich sich ein. In den USA erregte Robert Venturi mit seinem „gentle manifesto“ und später mit „Learning from Las Vegas“ Aufsehen, und bald war zumindest für die Architektur der Begriff „postmodern“ auf dem Tisch.

    In den USA erreichten aber auch die Künstlermöbel, Möbelskulpturen, die als Einzelstück gedacht waren, zunehmend an Bedeutung. Ein prächtiger Bildband „Artists Design Furniture“ von Devise Domergue erschien 1984. Und während wir in Österreich in den letzten Jahren voller Lust Josef Hoffmann und Kolo Moser entdeckten und die Träume der Jahrhundertwende zu Wirklichkeiten von heute machten, schlug in Deutschland Barockoko zu. In Deutschland traten junge Designer gegen den guten Geschmack an, zeigten keine Angst vor Kitsch, Gefühl und Verwirrung. Eine bizarre Szene tat sich auf. Die Design-Galerie H.J. Weinand in Berlin, die Kölner Galerie Pentagon, die Münchner Galerie Strand zeigten, was in Hinterhöfen entstanden war und braven Bürgern den Atem verschlug.

    Natürlich sind auch in Österreich Zeichen gesetzt worden, durch „unvollendet Möbelhaftes“ von Robert Maria Stieg, durch Heinz Frank, Mario Terzic und das Künstlerpaar K.U.SCH. zum Beispiel. Der Gruppe Brand gelang in der "Section N" mit ihren Raumverspannungen ein breiter Medienerfolg. Leider schloß die“Section N“ dann bald. Auch die Tat-Galerie, Design für die 2. und 3. Haut, ist diesen Sommer nach der ersten umfassenden Präsentation von neuem Möbeldesign geschlossen worden, da die jungen Designer, die diese Galerie führten, keine Zeit mehr hatten für ihre eigene Arbeit. In Linz hat Laurids Ortner mit Studenten eine aggressive Haltung dem Wohnbereich gegenüber eingenommen mit den Ausstellungen WOHNFREIHEIT und WECHSELSTROM. In Wien hat die Hochschule für Angewandte Kunst Studentenarbeiten in der „Z“ und der Postsparkasse gezeigt.

    Eine Design-Szene gibt es dennoch nicht. Mit der Ausstellung WOHNLUST soll diese Szene entdeckt werden, aufgedeckt werden. Bewußt beschränkt sich diese Ausstellung auf Produkte aus Österreich, um zu zeigen, daß es eine Menge einander widersprechende Ansätze gibt, sozusagen ein kreatives Chaos, aus dem heraus Ordnungen oder Linien entstehen können. Die Vielzahl der Auffassungen war erwünscht, MEMPHIS-Nachfolger wurden ausgelassen, deutliche Anlehnungen an berühmte Professoren nicht berücksichtigt, das Fortschreiben von Traditionen war kein Anliegen.

    WOHNLUST konzentriert sich auf drei Bereiche. Einigen wenigen österreichischen Designern ist es gelungen, in letzter Zeit unkonventionelle Produkte gemeinsam mit österreichischen Herstellern auf den Markt zu bringen. Als Beispiele werden gezeigt: Ein von Prof. Ernst W. Beranek entwickelter Spieltisch für die Firma Thonet, die Vitrinen, die bei der Firma Helmuth Stefan KG erzeugt werden, Beispiele aus der guten Zusammenarbeit von Ingomar Kmentt mit dem Hersteller Johann Sandler, vor allem das Produkt „Visávis“ - ein Konversationsmöbel, ferner Entwürfe von Luigi Blau, die für die Holzwerkstätten aus Südkärnten gedacht waren und nun von der Tischlerei Karl Simek produziert werden, sowie die von der Gruppe „spurwien“ entworfenen Möbel für die Werkstätten Hartberg, eigentlich eher edles Handwerk, denn Design nach dem gebräuchlichen Begriff. Maximilian Droschl und Alexander Korab zeigen Möbel aus einem industriell erzeugtem Massenprodukt, aus AVI-Gitter. Dieter Nehring zeigt den Servierwagen „Marie“ aus Edelstahl.
    Bildende Künstler, meist Absolventen der Hochschule für Angewandte Kunst, haben neu für diese Ausstellung Objekte in Eigenarbeit angefertigt. Einige Künstler verstehen ihre Objekte als Einzelstück, andere wieder als Prototyp, den sie nicht ungern für eine Firma, einen Hersteller weiterentwickeln würden.

    Bäng (Bau ästhetischer Nutzgegenstände) Helmut Palla & Dorothee Redelsteiner beginnen mit Vorgefundenem, sie entwickeln für diese Ausstellung zwei Automobilmodulmöbel. Aus einem Morris 1000, beziehungsweise dem abgetrennten Heckteil wird die Garderobiere von Lord Sinclair, aus dem Vorderteil eines VW ein Leuchtkäfer. Auch Michaela Moscouw läßt sich bei ihren Lampen von Fundstücken inspirieren. Die Wohnsubjekte und Hauswesen von Erika Thümmel beinhalten ebenfalls viele Fundstücke. Für alle trifft aber zu, daß doch sehr bewußt gesucht wird, gleichsam nach einer Vision.

    Wolfgang Podgorschek verpaßt den Wohnern einen Denkzettel und liefert einen Einbaum zum Wohnen. Auch Franz Katzgraber läßt den Baum noch fühlen, seine Sitzgruppe ist eher grob herausgehauen. Wenn Bildhauer Stühle machen, denken sie offenbar nicht an Sitzfleisch. Gert Linke komponiert mit Kanalgitter und Klavierbeinen. Nicht alle Möbel sind für Spartaner, Beatrix Kaser läßt uns mit Musik in einer textilen SchauKel träumen und das Team Ottrod beschert uns einen Hängemantel (Hängematte).

    Der dritte Aspekt in dieser Ausstellung sind Raumarbeiten. Inge GRAF+ZYX gestalten einen Raum und bringen auch ihre Talente für Musik und Videoproduktionen ein. K.U.SCH. produzieren die „Kultstätte Wohnraum - Wohnen zwischen Askese und Ekstase“. Werner Degenfeld produzierte vorerst ein Manifest mit Margot Klaus, sein Raum wird wie ein Kristall sein, sagt er, seine Hände verlieren nie ihren Humor. Seine Arbeit bisher hat mich motiviert, Vertrauen zu haben.

    Die Designer Altmüller und Bogner gestalten Idyllmöbel, sie haben für ihre Produktion, die sich auch auf Brillen, Schmuck oder auch Geschäftslokale bezieht, den Ausdruck „Unterhaltungsdesign“ geprägt. Von ihrem Raum aus wird eine Aktion starten, mit lebenden Menschen (Schauspielern), welche von der Modekünstlerin Maria Kretschmann eingekleidet werden. Man kann so auch sehen, was den Nutznießern dieser Räume so alles einfallen könnte.

    Im Katalog haben wir auf literarische Beiträge verzichtet, mit Ausnahme von jenem, den Elfriede Jelinek geschrieben hat. „Das wilde Zimmer“ nimmt Bezug auf ihre Erfahrungen mit dem Raum, den Mario Pirker für sie gestaltet hat.
    Die Diskussion um WOHNLUST soll mit Bildern angerissen werden.

    P.S.: Es gibt auch praktische Dinge, die klappbaren Sperrholzsessel von Werner Schmidt zum Beispiel, oder die Schnittmustermöbel von Franz Hnizdo und Friedl Huber. Innovativ, versandklein, montageschnell, organisch und gesund, Holz mit Textil vernäht, das sind die Möbel für den Adventbastler.
    Wien, im November 1986 © Jana Wisniewski

    Teilnehmer: Altmüller-Bogner, BÄNG (Helmut Palla & Dorothee Redelsteiner), Ernst W. Beranek, Luigi Blau, Peter und Ingeborg Braunsteiner, Werner Degenfeld & Margot Klaus, Maximilian Droschl & Alexander Korab, Inge Graf+ZYX, Thomas Hoke, Elfriede Huber & Franz Hnizdo, Beatrix Kaser, Franz Katzgraber, Ingomar Kmentt, Maria Kretschmann, Verena Kugler, K.U.SCH. (Renate Krätschmer und Jörg Schwarzenberger), Gabriele Kutschera, Gert Linke, Kristin Matschiner, Michaela Moscouw, Dieter Nehring, Mario Pirker, Wolfgang Podgorschek, Werner Schmidt, Johannes und Charlotte Seidl, spurwien (Arno Grünberger, Bertram J. Mayer, Günter Matschinger), Team Ottrød, Erika Thümmel, Josef Wais, Hans Weigand, Jana Wisniewski
    Organisation: Jana Wisniewski

    Eine Ausstellung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung gemeinsam mit der Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus mit besonderer Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport und des Kulturamts der Stadt Wien.